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                       Wissenswertes über die Taubheit bei Hunden

Schwerhörigkeit und Taubheit beim Hund
(Mit freundlicher Genehmigung des Autors:
Dr. med. vet. Frank Steffen, Dipl. ECVN)

Das Hundegehör ist im Vergleich zu anderen Spezies ausserordentlich leistungsfähig und es reicht in einen viel höheren Frequenzbereich als beim Menschen. Hunde sind ausgesprochene „Sinnestiere“ und stehen über ihre Ohren, Augen, und die Nase in ständiger Wechselbeziehung mit ihrer Umgebung. Bei Ausfall einer dieser Sinne genügen in der Regel die verbleibenden, um dem Hund die zum Leben nötigen Information von aussen zu vermitteln. Es bestehen jedoch erhebliche Unterschiede, ob der Hund von Geburt an taub ist oder erst im Verlauf des Lebens schwerhörig oder taub wird.

Allgemeines

Den meisten Besitzern fällt als erstes Symptom der plötzlich unzuverlässigere oder fehlende Appell auf. Weiter hört man, dass der Hund auf das Läuten der Türglocke nicht mehr mit Bellen reagiert oder nach dem Öffnen der Haustüre nicht mehr aufsteht. Bei einseitiger Taubheit stellen aufmerksame Hundehalter eine gewisse Orientierungslosigkeit ihres Hundes fest, wenn sie ihn aus einiger Distanz und ohne Sichtkontakt abrufen. Vereinzelt fallen taube Hunde durch unmotiviertes, lautes Bellen als Konfliktverhalten auf. Aggressivität als Folge einer Ertaubung und daraus resultierender Verunsicherung wurde verschiedentlich erwähnt, ist aber aufgrund eigener Erfahrungen ein seltenes Problem. Tiere mit spät auftretender, erworbener Taubheit (z. B. Altersschwerhörigkeit) passen sich in der Regel problemlos ihrer verminderten Sinnesleistung an. Allerdings sollten bei tauben Hunden Vorkehrungen zur Verhinderung von Autounfällen oder Bissverletzungen getroffen werden, denn sie neigen dazu, leichter zu erschrecken, beispielsweise wenn sie unerwartet berührt werden.
Grundsätzlich scheint Taubheit auch nicht zu anderen Verhaltensstörungen zu führen. Durch die damit zusammenhängende Störung des Gleichgewichtssinns können taube Hunde meist nicht schwimmen oder zeigen andere Störungen in der Motorik. Relativ häufig zeigen sich auch innerartliche soziale Probleme durch die eingeschränkte Kommunikationswahrnehmung. Eine der grössten Herausforderungen in der Erziehung ist aber zweifelsohne, einen zuverlässigen Appell aufzubauen.
Das Hauptproblem bei der Taubheit liegt in ihrer Erblichkeit. Aufgrund dem Ruf nach gesünderen Hunderassen und speziell der Diskussion um die so genannten Qualzuchten, wurde in den letzten Jahren auch dem Hörvermögen des Hundes vermehrte Aufmerksamkeit geschenkt und es folgten konsequenterweise Forderungen nach verbesserten diagnostischen und züchterischen Massnahmen, um das Problem von vererbter Schwerhörigkeit und Taubheit in den Griff zu bekommen.

Ursachen für Taubheit und Schwerhörigkeit

Reduziertes Hörvermögen kann grundsätzlich aufgrund einer Behinderung der Schallleitung durch das Aussen- und Mittelohr (konduktiver Hörverlust) oder durch ein Problem bei der Aufnahme oder Weiterleitung der Schallwellen im Innenohr zustande kommen (sensorineuraler Hörverlust).

Ein konduktiver Hörverlust entsteht meist im Zusammenhang mit Entzündungen im Aussen- und Mittelohr: durch eine „Verstopfung“ des Gehörganges durch Entzündungsprodukte, Haare und Ohrenschmalz oder Ergüsse in der Paukenhöhle. In selteneren Fällen können auch Tumore die Schallleitung unterbrechen. In all diesen Fällen steht das verminderte Hörvermögen selten als Symptom im Vordergrund; vielmehr sind Schmerzen und Juckreiz im Ohrenbereich Gründe für die Vorstellung beim Tierarzt.

Ein sensorineuraler Hörverlust ist meistens die Folge einer angeborenen oder vererbten Erkrankung des Innenohrs und tritt in der Regel bereits beim Welpen in Erscheinung. Gesunde Jungtiere hören ungefähr ab der zweiten Lebenswoche, wenn sich der Gehörgang geöffnet hat und so lässt sich eine Taubheit auch bereits in frühem Alter erkennen. Zahlreiche Rassen wie der English Setter, Bull Terrier, Jack Russell Terrier, Dogo Argentino oder Australian Cattle Dog, um nur einige zu nennen, sind von der erblichen Form der sensorineuralen Taubheit betroffen.
Hörverluste durch sensorineurale Ursachen sind in der Regel endgültig, da einmal zerstörte Sinneszellen bei Säugetieren nicht regenerationsfähig sind (im Gegensatz zu den Vögeln, bei denen wenigstens bei Jungtieren eine Regeneration stattfinden kann).

Das Paradebeispiel für eine Hunderasse mit vererbter Taubheit ist der Dalmatiner. Dies liegt einerseits sicher an der Häufigkeit von ein- und beidseitig tauben Dalmatinern, die in Populationen ohne entsprechende Massnahmen über 20 % liegen kann. Andererseits haben gerade die Dalmatinerclubs eine führende Rolle in der Bekämpfung dieses Problems eingenommen und nicht versucht, das Problem zu verschweigen. Vor allem dieser Hunderasse ist ein Grossteil unseres heutigen Wissens über die so genannte sensorineurale Taubheit zu verdanken.
Die Ursache für diese Form von Taubheit liegt in einer Degeneration von Anteilen des Innenohrs. Beim Gesunden ist einer der hauptsächlich betroffenen Innenohranteile, das so genannte Corti-Organ, mit einem Rasen von Haarzellen besetzt . Diese haarähnlichen Fortsätze dienen der Aufnahme und Verarbeitung von akustischen Reizen. Im Gefolge von komplexen Mechanismen, bei denen Pigmentzellen (Melanozyten) eine Rolle spielen, degenerieren diese Zellen und werden zerstört . Damit fehlen dem Hund die „Antennen“, um Geräusche aufzufangen und an das Gehirn weiterzuleiten. Es gilt als gesichert, dass die Ursache der Innenohrdegeneration erblicher Art ist. Trotzdem ist es bisher nicht gelungen, den exakten Erbgang zu definieren. Damit können auch die dafür verantwortlichen Gene nur sehr schwer identifiziert werden. Eine wichtige Voraussetzung zur Entwicklung eines genetischen Tests fehlt damit noch. Entsprechende Anstrengungen in diese Richtung sind seit längerem verschiedenenorts im Gange.

Die Tatsache, dass Tiere mit weissem Fell vermehrt von Taubheit betroffen sind, ist hinlänglich bekannt. Bemerkenswerter ist die Tatsache, dass es verschiedene Erbfaktoren (Gene) gibt, die eine weisse Fellfarbe bewirken und dass nicht alle diese Gene mit Taubheit assoziiert sind. Es scheint, dass die bereits erwähnten Melanozyten, die für die dunkle Pigmentierung bei weissen Hunden mit dem so genannten Piebald-Gen verantwortlich sind (z. B. Dalmatiner, Bull Terrier, Pyrenäen Berghund) auch für eine normale Entwicklung des Innenohrs eine Rolle spielen. Bei diesen Hunden tritt auch ab und zu ein Auge mit blauer Iris (Birkauge) auf und es ist eine Tatsache, dass Hunde mit blauen Augen dieser Rassen mit grosser Wahrscheinlichkeit ein- oder beidseitig taub sind. Auf der anderen Seite gibt es unter den Dalmatinern auch Individuen mit einem bereits bei Geburt sichtbaren schwarzen oder braunen Fleck (so genannter Patch). Normalerweise kommen Dalmatinerwelpen ja gänzlich ohne Flecken zur Welt. Diese Hunde mit Patch – obwohl zur Zucht unerwünscht – sind kaum einmal von Taubheit betroffen. Offenbar scheint der Patch ein sichtbares Merkmal für die schwache Ausprägung des Piebald-Genes zu sein.
Ein weiteres Pigmentations-Gen, das mit Taubheit verbunden sein kann, ist der Merle-Faktor (z. B. Bobtail, harlekinfarbene Doggen, Shelties und andere Rassen mit Merle-Färbung). Hier können sowohl vollständig taube als auch schwerhörige Tiere vorkommen, wobei das Risiko für einen Hördefekt mit zunehmendem Weissanteil in der Fellfarbe und Verpaarung von Merle-Merle-Eltern steigt.

Neben der vererbten Form der sensorineuralen Taubheit, gibt es erworbene Ursachen mit Auswirkungen auf das Innenohr. Die am weitesten verbreitete ist zweifellos die Altersschwerhörigkeit, von der Hunde ab dem 9. Lebensjahr betroffen sein können. Typisch ist hier ein langsames und deshalb oft unbemerktes Abnehmen des Hörvermögens. Hingegen kann es manchmal auch hier zu einer akuten Taubheit kommen. Dieses Phänomen, das als Hörsturz bezeichnet wird, stellt auch bei älteren Menschen keine Seltenheit dar. Einem Hörsturz beim Hund geht oft eine Routinenarkose für eine Zahnsteinentfernung oder gründliche Ohrenreinigung voran. Man vermutet bei diesen Fällen eine vorbestehende, geringe Hörschwäche, die durch die Narkose einen beschleunigten Schub erfährt.
Unter den erworbenen Ursachen gilt es zu erwähnen, dass gewisse Medikamente eine giftige Wirkung auf das Ohr haben. Dazu gehören gewisse Antibiotika, Chemotherapeutika, Schwermetalle oder topische (äusserlich angewendete) Desinfektionsmittel. Vor einer Ohrenbehandlung sollte deshalb immer überprüft werden, ob das Trommelfell intakt ist, um einen Kontakt des Medikaments mit Mittel- und Innenohr zu vermeiden.

Ein Hörverlust nach einem kurz dauernden Knalltrauma ist in der Regel reversibel, d. h. er verschwindet wieder. Bei länger andauernder Lärmexposition kann er aber auch bestehen bleiben. Typischerweise liegt in diesen Fällen der Hörverlust im Bereich der normalen Spracherkennung. Es ist anzunehmen, dass nach solchen Schalltraumata auch beim Hund ein unangenehmes „Pfeifen“ (Tinnitus) im Ohr auftreten kann.

Untersuchung des Hörvermögens

An erster Stelle aller „Hörtests“ steht selbstverständlich die simple Methode des „Händeklatschens“ oder „Rufens“: Man beobachtet die Reaktion des Tieres und schliesst so auf sein Hörvermögen. Im Falle von normal hörenden Tieren gelingt dies in der Regel problemlos. Schwieriger wird die Sache, wenn man sich unsicher ist, ob der Hund nun hört oder nicht. Wie vorgängig erwähnt, stehen taube Tiere über ihre noch funktionierenden Sinne mit der Umwelt in Kontakt und reagieren vielleicht auf andere Reize als auditorische (Reize über das Ohr), z. B. auf Bewegungen der rufenden Person oder Vibrationen des Untergrunds. Darauf gründet vermutlich die oft gehörte Schilderung von Besitzern, dass der Hund manchmal höre manchmal und nicht. In diesen Fällen besteht ein klares Bedürfnis nach einer objektiven Messmethode des Hörvermögens.

Mit der so genannten Hirnstamm-Audiometrie (brain-stem auditory evoked potentials, BAEP) kann das Gehör verlässlich und rasch auf seine Funktion geprüft werden. Audiometrien werden an den Tierspitälern Bern und Zürich, sowie an der Kleintierklinik Obergrund (Luzern) durchgeführt. Das Prinzip der Methode beruht auf einer Stimulation des Innenohrs mittels Klick-Tönen in variierbarer Lautstärke. Die so ausgelösten Nervenpotenziale in der Hörbahn laufen nun über bestimmte anatomische Stationen bis an ihren Zielort im Gehirn, wo das „bewusste“ Hören stattfindet. Über Hautelektroden können diese Potenziale auf der Oberfläche des Kopfes aufgezeichnet werden. Es resultiert ein typischer Kurvenverlauf, mit dem sich nachweisen lässt, ob der Hund hören kann oder nicht. Für den Test werden die Hunde oberflächlich sediert. Anschliessend werden feine Nadelelektroden unter die Haut an der Schädeloberfläche geschoben und mittels Kopfhörern oder Ohrenstöpseln werden zirka 500 Laute in der gewünschten Lautstärke „verabreicht“. Ein Computer filtert die entstehenden Potentiale, mittelt sie und zeigt zum Schluss die „Hör-Kurve“ oder das „Audiogramm“ auf. Der Test ist nach 2–3 Minuten abgeschlossen und die Tiere werden geweckt.
Hundewelpen können ab der 5. Lebenswoche problemlos untersucht werden und viele Züchter von gefährdeten Rassen lassen den ganzen Wurf vor dem Verkauf audiometrisch abklären.
In der Regel werden bilaterale (beidseitig) taube Welpen anlässlich der audiometrischen Untersuchung von ihren Züchtern eingeschläfert, da sich kaum ein Abnehmer für Hunde mit einem solchen Handicap findet.
Fragliche Resultate (d. h. unvollständiges Hörvermögen) sind bei diesen audiometrischen Untersuchungen sehr selten. Wenn sie auftreten, kann die Untersuchung zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt werden. In einzelnen Fällen kann der Einsatz eines bildgebenden Verfahrens wie CT oder MRI sinnvoll sein, um eine konduktive Taubheitsursache, also eine Behinderung der Schallleitung wie z. B. einen Erguss ins Mittelohr oder eine Innenohrentzündung (Otitis interna) hinter dem Trommelfell auszuschliessen.

Oft wird die Frage gestellt, ob das „taube“ Tier denn noch Töne in bestimmten Höhenlagen wahrnehmen kann, analog der menschlichen Hochton- oder Tieftonschwerhörigkeit. Diese Frage lässt sich mit der Hirnstamm-Audiometrie nicht beantworten, da nicht alle Frequenzen getestet werden können. Grundsätzlich gilt, dass ein Hund mit angeborener, sensorineuraler Taubheit vollständig und durch alle Tonlagen hindurch nichts hört. Anders liegt die Sache bei erworbenen Taubheiten, insbesondere der Alterstaubheit, bei der tatsächlich noch Töne in unterschiedlichen Frequenzbereichen wahrgenommen werden können. Die Prüfung dieser verbliebenen Hörfähigkeit ist schwierig und wird nicht routinemässig durchgeführt, da sie auf einer Verhaltensbeobachtung der getesteten Hunde beruhen muss und dadurch mit Interpretationsproblemen verbunden ist.

Kann Taubheit behandelt werden?

Vereinzelte Meldungen über Hörgeräte, die bei Tieren eingesetzt wurden, existieren. Dabei handelt es sich zur Zeit jedoch noch nicht um ausgereifte Techniken. In experimentellen Arbeiten bei tauben Tieren gelang es, mit einer elektrischen Stimulation des Innenohrs die im Gehirn gelegenen Hörbahnen zu stimulieren. Die Erfahrung bei taub geborenen Kindern hat jedoch gezeigt, dass früh in der Entwicklung des zentralen Nervensystems Hörerfahrungen gemacht werden müssen, damit sich die Gehirnareale für „Hören“ entwickeln können. Wenn diese frühe Erfahrung fehlt, macht auch eine späte elektrische Stimulation des Innenohrs keinen Sinn. Bei der früh auftretenden sensorineuralen Taubheit bringt ein Hörgerät deswegen keinen Nutzen.
Bei „spät Ertaubten“ ist der Einsatz eines „Hörgerätes“ potenziell möglich, mag jedoch an einfachen Gründen wie dem hohen Preis und dem Herauskratzen des „Fremdkörpers“ durch den Hund scheitern.
Die Erfahrung zeigt, dass sich Hunde mit zumutbarem Aufwand auf Handsignale trainieren oder mit Hilfe von blinkenden Taschenlampen leiten lassen. Wichtigste Voraussetzung für ein erfolgreiches Führen eines tauben Hundes ist die Fähigkeit, Sicherheit zu vermitteln sowie der Wille und die Ausdauer des Besitzers, diesen Zusatzaufwand auf sich zu nehmen. Im Internet können dazu praktische Anleitungen gefunden werden.
Trotz Bedenken von vielen Hundehaltern ist die Lebensqualität und das Wohlbefinden von tauben Hunden kaum eingeschränkt. Sie haben insbesondere keine reduzierten mentalen Kapazitäten. Das Gehirn reagiert auf den Verlust eines Sinnes mit einer plastischen Veränderung, also durch einen Umbau seiner Struktur. Dabei reagieren Hirnanteile, die sonst Inputs von Hörbahnen erhalten, mit einer Reduktion von Synapsen (Nervenverknüpfungen) in den betroffenen Arealen und können statt dessen neue „Netzwerke“ in benachbarten Hirnregionen ausbauen.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors:

Dr. med vet. Frank Steffen hat die Schwerhörigkeit und Taubheit beim Hund sehr verständlich erklärt.

Kommentar zu dem von mir rot markierten Satz
Beidseitige Taubheit darf niemals ein Grund sein, einen Hund einzuschläfern. Sollte ein Züchten in seinem Wurf taube Welpen haben, so muss der Züchter die Verantwortung für das Leben dieses Welpens übernehmen, selbst wenn er keinen Abnehmer für ihn finden würde.
Nehmen Sie sich mein Gedicht auf der Startseite zu Herzen.  
(Angelika Schweitzer)

taube Hunde suchen ein Zuhause
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